Saatgutgesetzgebung- kurze Zusammenfassung

Saatgut – im Spannungsfeld zwischen bäuerlichen Händen und Konzernen

Die Vermehrung und die Weitergabe bzw. der Verkauf von Saatgut kann in der heutigen Zeit schnell ein krimineller Akt werden. Aber erstmals langsam.

„Saatgut ist Kulturgut“, „Saatgut muss Gemeingut bleiben“, diese Sätze hört man immer wieder. Warum?

Die Reise der Saatgutgesetzgebung beginnt 1961. Damals wurde die UPOV gegründet, das ist ein internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen. Diese wurde mehrmals reformiert, 1991 wurde besonders der Sortenschutz strenger geregelt. Heute hat die UPOV 78 Mitglieder und die Mitgliedschaft erfordert die Umsetzung der Kernelemente des Übereinkommens in nationales Recht. Das UPOV Gesetz will, dass nur gemeldete, geschützte Sorten in Verkehr gebracht werden. Die Sortenprüfung erfolgt nach bestimmten festgesetzten Kriterien (DUS), z.B. müssen sie einen hohen Grad an Homogenität nachweisen und werden auf einen landeskulturellen Wert geprüft, wie auch immer dieser feststellbar ist!

Sicher, würden die Sorten, die angemeldet werden, wirklich ausschließlich ein Produkt von hochtechnischen Züchtungen im Konzernbereich sein, die sich von der bäuerlichen Züchtung deutlich unterscheiden, könnte man es eventuell vielleicht noch irgendwie rechtfertigen, dass diese einen besonderen Schutz benötigen. Dieser Schutz wurde und wird aber auch missbraucht, indem Landsorten, ohne züchterischer Eigenleistung, von Konzernen angemeldet wurden und nun von ihnen rechtmäßig besessen werden.

Die nächste Etappe auf der Reise der Saatgutgesetzgebung ist das Saatgutverkehrsrecht der EU. Dieses besagt, das nur gemeldete Sorten in Verkehr gebracht werden. Davon gibt es eine Ausnahme, die Erhaltersorten. D.h. man darf bis jetzt ausnahmsweise eine gewisse, geregelte Menge von Erhaltungssortensaatgut in Verkehr bringen. Diese Ausnahme soll jetzt reformiert werden. Die gemeldeten Sorten sind in Listen zu finden, wo sich auch Biosaatgutanbieter wie z.B. Reinsaat und Dreschflegel wiederfinden. Ab einer gewissen vermarkteten Menge einer Sorte ist man außerdem verpflichtet, sich diese in die Liste einzutragen.

Ich als kleine Produzentin von Erhaltungssortensaatgut oder als Erhalterin von Landsorten darf ausnahmsweise dieses Saatgut in kleinen Mengen in Verkehr bringen. Aber das eigentlich geltende Gesetz besagt, das es nicht möglich ist, solche Sorten weiterzugeben, weil sie ja keine gemeldete Sorte ist. Allein dieser Aspekt ist für mich schon sehr bedenkenswert. Wenn es eigentlich nicht erlaubt ist, samenfeste Sorten zu vermehren und weiterzugeben, dann werden wahrscheinlich viele dieser Sorten langsam verschwinden bzw. anders formuliert, die erlaubten Sorten werden einfach langsam die nicht erlaubten verdrängen. Zusätzlich kommt erschwerend hinzu, dass auch das Wissen um die Vermehrung in der Gesellschaft schwindet und Konzerne und Firmen dieses Vakuum für ihren eigenen Gewinn nutzen. In weiterer Folge werden die kommerziellen Betriebe immer dominanter und die Erhalter immer weniger.

Die Ausnahme des Gesetzes, das nur gemeldete Sorten in Verkehr gebracht werden dürfen, wird jetzt reformiert. Dazu gibt es eine Konsultation der EU, bis 27.3. Mitternacht. Es handelt sich um einen Fragebogen, der in kurzer Zeit ausgefüllt werden kann:

https://ecas.ec.europa.eu/cas/eim/external/register.cgi?loginRequestId=ECAS_LR-95712954-NrYTFt6G667PlhqAAeiNaQmtFWXsRzzuUpq99RODXV9686mPd2SDfgPLxzQwQ9i9vfx80mQ4WwXqF2ncgR599zi-jpJZscgsw0K68Q0yFbKMqm-pSZ80VVPnYwQe71ZT7erRGzluuGU3qKad29MCfOsQ3YdHSsTapnZ1JMO9wxQ7GwzZzYFUYoj87Clb5kkonVj3m0

Die Sorten unserer Kulturpflanzen wurden über tausende Jahre von Menschen erhalten, gezüchtet, angepasst und weitergegeben. Die Entwicklung der Sorten konnte in dieser Form nur passieren, weil das Saatgut immer weitergegeben wurde und es somit wieder angebaut wurde und weitervermehrt wurde. Das ist wichtig, damit sich Sorten an das Klima, dem Boden und sonstigen Umweltbedingungen anpassen können. Genau dieser Punkt ist heutzutage besonders wichtig, denn die klimatischen Bedingungen ändern sich rasant und sind sehr wechselhaft. Angepasste Sorten müssen in der freien Natur unter möglichst natürlichen Bedingungen wachsen, damit die genetische Vielfalt erhalten bleibt und die Sorten mit möglichst vielen wechselnden Umweltbedingungen klarkommen. Hier sind die zwei Begriffe in situ und ex situ wichtig:

In Situ: Erhaltung, Züchtung, Anbau der Sorten in ihrem natürlichem Lebensraum unter natürlichen Bedingungen

Ex Situ: Züchtung von Pflanzen außerhalb ihres natürlichem Lebensraumes (Labor, Glashaus,…) unter künstlich geschaffenen Bedingungen

Es ist auch hier wie in allen Bereichen: Riesen Tech-Konzerne schaffen mittels Züchtung (mit genetischer Veränderung oder ohne) neue Sorten und kleinere Züchter können es sich nicht mal ansatzweise leisten, ihre Sorten auf diese Liste zu bringen. Abgesehen davon stellt sich die Frage generell, wem die Gemüsesorten, die es halt gibt, gehören.

Sind die Nutzpflanzen nicht Allgemeingut?

Wollen wir die Zukunft unserer Ernährung wirklich in die Hände von gewinnorientierten Konzernen geben?